Minerva, Spitzname Miera, ist 32 Jahre alt. Nach abgeschlossenem Bachelorstudium im Fach soziale Arbeit arbeiten sie seit ein paar Jahren in einem Alterszentrum. Mittlerweile haben sie realisiert, dass die Arbeit auf lange Sicht nicht wirklich erfüllend ist. Obwohl Miera die Pflegearbeit als wichtig und sogar schön wahrnimmt, die Menschen, ihr Wissen und ihren Erfahrungshorizont sehr schätzt, war das Ausführen des Berufs doch immer verbunden mit einem Gefühl der spirituellen Redundanz. Vielmehr wünschen sie sich eine Beschäftigung, in der sie als Mensch mit ihren einzigartigen, spezifischen Fähigkeiten gefragt sind und nicht irgendjemand, die oder der aus reiner Verpflichtung da ist und tut, was getan werden muss. Ursprünglich dachte Miera, dass die Pflege der richtige Ort dafür wäre, jedoch mussten sie feststellen, dass die meisten Beziehungen mit Patient*innen doch eher einseitig und oberflächlich sind.
Miera hat viel Zeit und Liebe in die Pflege des eigenen mentalen Wohlseins, der Interessen und Charakterentwicklung gesteckt. Nebst eigenem Weiterbilden durch Literatur und dem Austausch mit Befreundeten haben sie in Momenten, in denen es nötig war, Therapiestunden bei einer Psychologin besucht. Der Mensch, zu dem Miera sich entwickelt hat, schafft es, ohne Mühe sich selbst zu lieben. Zudem sind sie auch fähig, Liebe an ihre Befreundeten und die Teile der Familie zu geben. Sie hat mit einem mittelgrossen Kreis an Menschen engeren Kontakt. Ausserdem wissen sie, wann Situationen überfordernd sind und sie deshalb entweder Raum für sich selbst oder die Nähe anderer brauchen. Die wertvollen zwischenmenschlichen Beziehungen bieten genauso Möglichkeiten um über Emotionen, Erlebnisse und Interessen reden zu können, wie gemeinsam Spass zu haben. Nebst den platonischen hat Miera ausserdem romantische Beziehungen mit drei Personen, welche ihr Leben mit spannenden Facetten bereichern.
Beziehung eins ist sehr nahe und zärtlich. Es wird viel gemeinsam gekuschelt, geschlafen, Musik gehört und die gemeinsame Sexualität erforscht und ausgelebt. Weiche Intimität umgibt die Zweisamkeit, wie ein Schleier aus Kaschmir. Gemeinsames kochen, kosten von leckeren Tees und Backen sind wichtige Teile des Zusammenseins. Die kulinarischen Erlebnisse ermöglichen ein Gefühl der Liebe und Pflege von innen, welches die äusseren, sinnlichen Erfahrungen ergänzen. Mit Beziehung eins verbringt Miera vor allem viel Zeit zu Hause.
Mit Beziehung zwei hat Miera ein eher unkörperliches Verhältnis. Sie gehen gerne gemeinsam in kleine, unabhängige Theater, arbeiten an einer architektonischen Fotoserie, die Jugendstil-Elemente von Gebäuden dokumentiert oder gehen ab und zu zum Tanzen auf Konzerte oder Parties. Stundenlange Gespräche über Inspirationen, Wahrnehmung oder manchmal auch die Sinnlosigkeit der zeitgenössischen Gesellschaftsstrukturen folgen oftmals auf kulturelle oder soziale Unternehmungen. Ihre gemeinsame Beziehung ist geprägt von einer intellektuellen Neugier und unersättlichen Begeisterung für Momente, welche ihre Wahrnehmung überraschen. Miera schaut zu Beziehungsperson zwei auf, da sie ein spannender Mensch ist, der aus dem Antrieb einer inneren Vision arbeitet und daraus eine unfassbare, vitale Dynamik zieht. Jedoch hat Beziehung 2’s Vision auch zu verantworten, dass sie nie gänzlich greifbar wirkt und somit eine komplette emotionale Nähe zu ihnen nicht möglich scheint… selbst wenn sie ab und an körperlich zueinanderfinden. Beide von ihnen wissen das und Miera kann gut damit leben. Sie geniessen das Gemeinsame, so wie es ist.
Beziehung 3 trifft Miera eher selten, doch dafür ist es jedes Mal aufregend. Ihrer Beziehung liegt ein Regelsystem zu Grunde:
- Die erste Regel lautet, dass die beiden nie dieselbe Person sind, die sie bei den vorherigen Treffen waren. Ort und Event für die Treffen werden immer im vornherein per E-Mail geplant und kommuniziert. Die Treffen können praktisch überall stattfinden. Beispiele: Japanischer Süssigkeitenladen, Box-Unterricht, Bibliothek, Staudamm, heidnische Ruinen.
- Spontane Treffen sind verboten. Nebst verändertem Aussehen für ihre Begegnungen versuchen auch beide andere Personas auszuleben, so dass sie verschiedene Teilaspekte voneinander und deren Dynamiken kennen lernen. Dies führt auch dazu, sich selbst von einem anderen Blickwinkel kennen zu lernen. Je nach Dynamik enden die Treffen distanziert oder intim, die jeweilige Entwicklung der Situation entscheidet darüber.
- Die letzte Regel besagt, dass wenn jemandem von den beiden keine neue Rolle mehr einfällt oder eine Person dabei scheitert, die Rolle anzunehmen, die Beziehung damit beendet ist und sie nie wieder Kontakt haben dürfen.
Diese drei und viele weitere platonische Beziehungen sorgen dafür, dass Miera auf menschlicher Ebene stets gefordert, erfüllt und vor allem glücklich ist. Sie haben durch die vielen positiven, sowie negativen Erfahrungen Selbstvertrauen aufgebaut. Auch deshalb wird Miera keine Probleme haben, ihre Anstellung im Altersheim aufzugeben. Angst vor einer ungewissen Zukunft haben sie nicht. Ausserdem wird jemand ihre vakante Stelle übernehmen, die oder der den Beruf mehr erfüllend finden wird. Wieso etwas zwanghaft aufrecht erhalten, was ohnehin schon am zusammenbrechen ist? Ein paar Wochen später, nach dem letzten Arbeitstag und einem emotionalen Abschied von den Heimbewohner*innen und dem Team spaziert Miera bei bewölktem Frühlingshimmel nach Hause. Durch den grauen Himmel bricht mal da mal dort ein Sonnenschein. Im nächsten Moment tanzt wieder ein Nieselregen durch die Strassen. Miera stört das nicht, wenn‘s regnet, werden sie nass – warum sollte das überhaupt jemanden stören?
Im Haus ihrer Wohnung angekommen, sind ihre Kleider leicht-, ihre Haare mittelnass. In der Zwischenzeit hatte es zu stürmen, blitzen und donnern angefangen. Miera beobachtet, wie die Menschen draussen hektisch zum nächsten Unterstand, Bus oder sonstwo hinrennen. Wenn sie keine Schirme haben, schützen sie sich mit Taschen oder anderem Kuriosen vor dem Regen. Eine Person hat eine riesige Aldi-Tüte über den Kopf gestülpt, guckt durch ein Trageloch raus und hat deshalb einen leicht desorientierten Gang. Eine weitere Person fängt Miera‘s Blick, jedoch nur ganz kurz, da sie grad um ein Ecke bog. Es war eine Frau, die, insofern sich Miera nicht komplett täuscht, rückwärts lief, dies jedoch sehr kontrolliert, vor allem im Vergleich zur Aldi-Tüten-Person. Die Frau war mindestens 1.95 Meter gross. Was Miera jedoch am meisten verwirrte, ist, dass die Frau zurück zu schauen schien. Dies wäre jedoch schlichtweg unmöglich, da die Distanz dafür zu gross war und die Sicht zwischen den beiden wegen des starken Regens zu schlecht. Zentimeter dicke Tropfen klatschen inzwischen auf die Scheiben der Haustüre. Miera schaut staunend zu, wie sie aufprallen und zu wunderschönen Formen konstanter Bewegung zerfliessen. Diese finden in einem derart komplexen Rhythmus statt, der wohl niemals von menschlicher Hand rekonstruiert werden könnte. Auf einmal krachts unfassbar laut und die Türe leuchtet so hell auf, dass Miera vor Schock zurückspringt. Scheinbar hat ein Blitzschlag das Gebäude getroffen. Sie hören wie das Glas noch nachvibriert. Auf dem Glas ist ein dunkler Abdruck zurückgeblieben.
Miera geht auf den Abdruck zu und bemerkt, dass er aus einer Art Linienstruktur aus Rissen besteht, die ähnlich den Jahresringen eines Baums geformt sind. Je näher sie dem kommen, desto mehr Details der Struktur sind ersichtlich. Auf jede dicke Furche folgen unzählige kleine Querverfurchungen, mit nochmals kleineren Querverfurchungen. Miera ist fasziniert und schaut sich das Ganze von Nahem an. Als ihr Kopf etwa einen Meter von der Scheibe entfernt ist, bemerken sie fasziniert, dass die Struktur im Abdruck nicht nur statisch ist, sondern sich leicht pulsierend bewegt. Ihr Blick versinkt beinahe in der komplex verwobenen Ästhetik. Miera will den Abdruck berühren und nähert sich ihm mit ausgestrecktem Zeigefinger an. Als sie ganz nah dran sind, spüren sie jedoch, wie ihre Fingerspitze immer stärker elektrisch geladen wird. Gleichzeitig hat der Abdruck eine starke elektrische Anziehung, so dass nicht nur die kleinen Härchen an ihren Armen, sondern sogar die auf dem Kopf, leicht davon angezogen werden. Während ihr Finger noch näher kommt, sieht Miera, dass die Linienmusterung des Abdrucks sich auf ihren Finger zuzubewegen beginnt. Nicht nur das, sondern der Abdruck beginnt sich in seiner ganzen Struktur langsam in Richtung des Fingers zu biegen, als gliche ihr Finger einem horizontal in der Luft stehenden Tropfen, der aus einer Wasserfläche schiesst. Die Ringstruktur verhält sich hingegen so, wie das Wasser, in welches der Tropfen hineinfällt und daraufhin Ringe zeichnet, jedoch von aussen nach innen. Mieras Finger ist nun sehr nahe am Abdruck dran. Er ist nun nur noch wenige Millimeter entfernt. Die elektrische Spannung kribbelt in ihren Fingerspitzen und erzeugt dort eine beunruhigende Hitze. Miera ist gleichermassen aufgeregt wie beängstigt bei dem Gedanken, was passiert, wenn sie den Abdruck berührt. Als sie nur noch eine Haarbreite entfernt ist, kommt ihnen das Lied in den Sinn, welches sie am Tag des Entschlusses, ihren Job aufzugeben, gehört haben.
Then I began to fall so low
I didn’t have a friend, and no place to go…
Miera stoppt die Bewegung ihres Fingers. Sie stehen nun vor der Entscheidung, der Neugier nachzugeben und den Abdruck zu berühren, oder sich von dem Abdruck abzuwenden. Sie schliessen ihre Augen, hören vorm geistigen Innern das Lied und summen leise mit. Als es langsam verstummt, hat sich Miera entschieden. Miera öffnet die Augen und zieht die Hand weg. Dadurch löst sich die elektrische Spannung des Abdrucks auf, was ein kleines, kaum wahrnehmbares Zusammenfallen bewirkt. Die Bewegungen des Abdrucks frieren sogleich ein. Die Ringstruktur ist dabei in sich zusammengebrochen und hat nun definitiv keine fluide Ringform mehr, sondern sieht aus wie ein durch Sprödheit zersprungenes Gefäss. Miera spürt, wie ihre Hand und sogar ihr ganzer Körper noch immer zittert und wendet sich ab. Sie schauen ihren Finger an und stellen zu ihrer Überraschung fest, dass ihr Fingerabdruck sich verändert hat. Er ähnelt nun der zuvor studierten Struktur des Abdrucks, was ihrem Finger etwas Unmenschliches verleiht. Verwirrt laufen sie durch den Gang, die Treppe hoch, schauen noch ein letztes Mal zurück und gehen in ihre Wohnung.
Sound:
Sometimes sad, never down
I swallowed the dancing clown
and learned to laugh, had often cried.
The continuous whirl of the entropy
gives me hope rather than instability
Miera hört sich in ihrem Zimmer Beiträge eines unabhängigen Literatur-Telefons an. Einer zieht ihre Aufmerksamkeit besonders auf sich:
(Kissen nehmen)
Not the generation that doesn‘t know what to do Mrs. Robinson
Nah rather the one you completely screwed Mr. Robinson
Your denial
Denying of the trial
Mrs. Robinson
Peace, love and happiness
resulted in the
dis-ruption
de-struction of
Gaia’s guts
Retrospectively seen
You’ve objectively been
nuts.
It‘s so hard
to
speak up
Our brain just fails
mucked up situations
Conflicts became
pretty ab-stract
butterfly e-ffect
Coming to terms
with a given, na
a forced freedom
to live
It‘s a freedom to give
but a prison to take
what‘s been left of the last few decades
is a postindustrial late-capitalist culture in decay.
A more then half-dead Goddess
Puking blood
and wisdom teeth
While being laughed
at
on burning fields
burning birds
burning barnes
The gift to give
Becomes the burden to give
one‘s life away
for earth’s nature
to stay
alive.
GAIA.
ANGER.
But please stop what you did and do dear mother, father
Dear Mr. and Mrs. Robinson
Please, stop beating, slaughtering and sucking it out
We live the sadness of the spectator
watching past creator’s efficiency
invincible hegemony
You’ve been privileged
left us an inherited,
perverted privilege
Mrs. Robinson
Your actions robbed your son
and daughter.
We help you
however
we can.
We’re here
for you,
even if this means
we stand
against
you.
Even if this means
we silence
your
screams
of delusional continuity
scientific linearity
hardened structures
of violence
with a fluffy, cloud white pillow
filled with crumbling maple leaves
on a mattress stuffed with folded banknotes.
Let it go, let it go
After the last shivering shake
The swollen white fingertips loose grip
of the white fabric
It bends back to it‘s shape
Away from the
body’s physics
No more pressure
No more press on
Pression
Past-pression after
Pre-pression,
Me-pression,
De-pression
Muscles trembled but relax
Butterfly effect
Mind whirls back
to
rationality
Rational reality
bends around the fiction
of subjective emotionality.
This took a fucking bad turn
But bad fucking turns
on, right?
Right.
Let‘s be honest
we would be badly fucked
but ain‘t –
Cause there‘s growing awareness,
still and forever love,
i feel… i feel
reason, often in seemingly
unreasonable situations
Accompanied by the intangible rhythm
of the entropy.
Unstoppable
will to change
rethink, transform
wreck down, mess up
connect, merge together
Live up.
Opposing cold relations
of fallacious success
Communities based on actual friendship and trust
We laugh together, cry together
Are silent together, smile together.
Forever,
live our common moments,
Friend became who once foe was
You all came a far way by now,
many steps and years
now we meet here
A contract provided by creative lust
We met in the stairway
now, and never the same again
So happy to see you all my friends
We walked some steps
Psychogeographie
heard a lot of text
Lie is the essence of poetry
Seen and done a creative mess
Yea thanks for that.
Compromised complicated reflections
Travelled through five phases
leading to what?
You alone know the answer to that by now
Ya babes but my opinion about definite answers:
„It’s all about flow, don’t give a fuck.“
Last but not least
We shouldn’t forget to talk about the elephant,
na
the beautiful beast,
the flappy insect in the room.
Don‘t we?
Shall we really talk about butterflies?
Naaaa, probably not,
but
Repetition: This is not a performance
was never a performance
rather
The beauty of the moment has developed
Acceptance of the will never to stop
Who’s afraid of Virginia Woolf?
I’m not.